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Wie groß können Teleskope werden?

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Nach etwas längerer Pause habe ich endlich wieder Zeit, ein paar Fragen zur Astronomie zu beantworten. Und es geht gleich mit einer sehr interessanten Frage weiter: Wie groß können Teleskope werden? Gibt es da irgendwelche technischen oder physikalischen Grenzen? Die Antwort ist in dem Fall nicht ganz so einfach und lautet: Ja und Nein.

Das erste Fernrohr, das zur Beobachtung des Himmels genutzt worden ist, war jenes, das Galileo Galilei zu Beginn des 17. Jahrhunderts gebaut hat. Es war ein Linsenfernrohr, ein sogenannten Refraktor. Die Optik bestand aus einer Glaslinse, die das Licht einsammelte. Es war klein und die Linse hatte einen Durchmesser von wenigen Zentimetern. Aber die nachfolgenden Geräte wurden schnell größer. Der Zweck eines astronomisches Teleskops ist übrigens nicht die Vergrößerung der Himmelskörper. Das funktioniert vielleicht noch bei erdnahen Objekten wie dem Mond oder den Planeten. Alles andere ist zu weit weg, als das eine Vergrößerung irgendwas am Erscheinungsbild ändern würde. Man braucht die Teleskope nicht, um die Dinge größer zu sehen, sondern um mehr Dinge sehen zu können. Dazu muss man mehr Licht sammeln und dazu braucht man größere “Augen”. Je größer die Fläche ist, auf die Licht treffen kann, desto schwächere und fernere Objekte können am Himmel ausgemacht werden. Und da fangen auch die technischen Probleme an.

Yerkes-Teleskop (Bild: Public Domain)

Yerkes-Teleskop (Bild: Public Domain)

Bei einem Linsenteleskop muss das Licht durch die Linse hindurch gehen und wird dabei ein wenig abgeschwächt. Je dicker die Linse, desto weniger Licht hat man am Ende zur Analyse. Und je größer man die Linse macht, desto dicker muss sie auch sein – ansonsten würde sie unter ihrem eigenen Gewicht zerbrechen. Irgendwann macht es dann keinen Sinn mehr, noch größere Linsen zu bauen, da der positive Effekt der Größe auf die Lichtsammelleistung durch den negativen Effekt der Abschwächung in der dicken Linsen wieder zerstört wird. Die größten Linsen die je gebaut wurde, hatten einen Durchmesser der nur wenig größer als ein Meter war. Zum Beispiel der große Refraktor der Yerkes-Sternwarte in Wisconsin mit 102 Zentimetern; der große Refraktor der Sternwarte in Potsdam mit 80 Zentimetern Durchmesser oder der große Refraktor der Sternwarten Wien mit einem Durchmesser von 69 Zentimetern, der bei seinem Bau im Jahr 1880 das größte Linsenteleskop der Welt war.

Die Zeit der großen Linsenteleskope endete im 19. Jahrhundert, danach ging man dazu über, hauptsächlich Spiegelteleskope zu bauen. Die waren auch schon seit dem 17. Jahrhundert bekannt: Anstatt Licht durch eine Linse aus Glas zu schicken, nutzt man hier einen Spiegel an dem es reflektiert wird. Dieser Spiegel kann von hinten abgestützt werden und daher auch größer und stabiler gebaut werden als eine Linse. Das Hale-Teleskop der kalifornischen Palomar-Sternwarte wurde im Jahr 1948 gebaut und hat einen Spiegel mit einem Durchmesser von 5,08 Metern. Damit war es das größte seiner Zeit und man ging davon aus, dass das noch lange so bleiben würde. Denn wenn man Spiegel baut, die noch größer sind, stößt man auch hier auf Probleme: Das Licht wird zwar nicht abgeschwächt so wie bei zu großen Linsen. Aber der Spiegel beginnt sich unter seinem eigenen Gewicht zu verformen und liefert schlechte Bilder, wie man 1975 beim Bau des 6-Meter-Bolshoi-Teleskops in der Sowjetunion merkte.

Die nächste Generation der Teleskope musste daher ein anderes Konzept nutzen: Keine großen Einzelspiegel mehr, sondern viele kleinen Spiegelelemente, die zu einem großen Ganzen zusammengesetzt werden. Auf diese Art wurde 1993 aus 36 Stücken das Keck-Teleskop in Hawaii mit seinem 10-Meter-Spiegel gebaut, das heute immer noch zu den größten Teleskopen der Welt gehört und nur vom 10,4 Meter durchmessenden Gran Telescopio Canarias übertroffen wird. Die großen segmentierten Spiegel waren stabil, aber auch wenn die Technik keine Probleme macht, stieß man hier auf physikalische Grenzen. Von der Erde aus blickt man durch die Atmosphäre ins All und die immer vorhandenen Luftunruhen verursachen unscharfe Bilder. Irgendwann macht es dann keinen Sinn mehr, noch größere Spiegel zu bauen, da die Details die man damit eigentlich sehen könnte wegen dieser Störungen nicht mehr sichtbar sind.

Gran Telescopio Canarias Bild: H.Raab, CC-BY-SA 3.0)

Gran Telescopio Canarias Bild: H.Raab, CC-BY-SA 3.0)

Aber auch hier gab es eine Lösung: adaptive Optik! Ich habe das zum Beispiel hier oder hier ausführlich erklärt; im Prinzip geht es aber um folgendes: Ein Laserstrahl vermisst die Luftunruhen enorm exakt und ein Computer berechnet live und automatisch, wie man die Oberfläche des Spiegels verformen muss, damit die Störungen ausgeglichen werden. Das passiert mehrere tausend Mal pro Sekunde und die Veränderungen des Spiegels sind nur mikroskopisch. Aber die Technik funktioniert und alle modernen Großteleskope sind damit ausgestattet.

Mit segmentierten Spiegeln und adaptiver Optik sind dem Bau großer Teleskope eigentlich keine Grenzen mehr gesetzt. Weswegen derzeit auch diverse “Superteleskope” gebaut werden. Die Europäische Südsternwarte ESO konstruiert das European Extremly Large Telescope (EELT) in Chile, das einen 39 Meter großen Spiegel haben wird. In Hawaii wird das amerikanische Thirty Meter Telescope (TMT) gebaut und das Giant Magellan Telescope (GMT) soll einen Spiegel mit 22 Metern bekommen. Man könnte nun fragen, wieso man so viel Energie in den Bau von Teleskopen auf der Erde steckt – wäre es im Weltall nicht noch besser? Da gibt es immerhin keine störende Luft!

Das stimmt und früher war das tatsächlich so. Aber dank der adaptiven Optik kann man nun auch auf der Erde eine Beobachtungsqualität erreichen, die der im Weltall gleich kommt. Und auf der Erde zu bauen ist immer noch einfacher und billiger als eine Weltraummission zu planen. Vor allem kann man die Instrumente auf der Erde leichter erreichen und je nach Bedarf mit neuer Technik ausstatten. Große Weltraumteleskope im Stil von Hubble wird es in Zukunft eher nicht mehr geben. Was nicht heißt, das es keine großen Weltraumteleskope mehr geben wird! Aber es werden dann spezielle Instrumente sein, die zum Beispiel Infrarotstrahlung oder Ultraviolettlicht beobachten; also die Bereiche des Spektrums die von der Atmosphäre blockiert werden und auf dem Erdboden nicht sichtbar sind. Das James Webb Space Telescope mit seinem 6,5 Meter Spiegel wird oft als “Nachfolger” von Hubble bezeichnet, ist aber ein reines Infrarotteleskop.

Größenvergleich verschiedener existierender und geplanter Teleskope (Bild: Cmglee, CC-BY-SA 3.0)

Größenvergleich verschiedener existierender und geplanter Teleskope (Bild: Cmglee, CC-BY-SA 3.0)

Die Grenzen beim Bau großer Teleskope sind also mittlerweile vor allem finanzielle und politische. Rein prinzipiell würde uns nichts davon abhalten, Teleskope zu bauen, die selbst das EELT an Größe noch übertreffen. Und ich fände es gut, wenn wir das auch probieren würden. Als Galilei vor mehr als 400 Jahren das erste Mal durch ein Teleskop geschaut hat, hat er Dinge gesehen, die niemand zuvor gesehen hat und die unser gesamtes Weltbild revolutioniert haben. Seitdem ist das gleiche immer wieder passiert, wenn wir es geschafft habe, noch tiefer und genauer ins Universum zu blicken. Und es würde mich wundern, wenn hier schon das Ende der Möglichkeiten erreicht ist. Wenn wir mit noch besseren und größeren Augen ins Weltall blicken, werden wir mit Sicherheit etwas entdecken, das unser Weltbild ein weiteres Mal auf den Kopf stellt…

P.S. Ich habe mich jetzt hier nur mit optischen Teleskopen beschäftigt. Für Radioteleskope und andere Detektionsgeräte der Astronomie gelten andere Regeln, auf die ich hier nicht eingegangen bin.

Mehr Antworten findet ihr auf der Übersichtsseite zu den Fragen, wo ihr selbst auch Fragen stellen könnt.

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